„Single-Frau wählt Single-Mann und schaut sich seine Wohnung an“ Unter diesem Titel hat der Münchner Wohnpsychologe Uwe Linke ein Buch geschrieben, das einen interessanten Zusammenhang beleuchtet: Wie wir uns einrichten oder kleiden, welchen Sport wir treiben, welche Musik wir hören … all das ist Ausdruck unserer Persönlichkeit.
Welches Auto wir fahren, wie unser Haus aussieht, wie wir unseren Garten gestalten, auch das sind Botschaften an die Mitwelt. Für den Garten hinter dem Haus, der vermutlich von einer Hecke oder einem anderen Sichtschutz gegenüber der Öffentlichkeit abgeschirmt ist, mag das nicht unbedingt gelten, aber für den Vorgarten in jedem Fall. Der Vorgarten ist ein halböffentlicher Raum, den Nachbarn und Passanten als „Visitenkarte des Hauses“ wahrnehmen. Den Zusammenhang von drinnen und draußen besser zu verstehen, insbesondere aber den Wert des Vorgartens aus psychologischer Sicht zu beleuchten, war Grund für den Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL) e.V., im Zuge der Initiative „Rettet den Vorgarten“ den Austausch mit Uwe Linke zu suchen. August Forster, Präsident des BGL, kennt die Sensibilität von Vorgärten aus der Beratungspraxis: „Je nachdem, wie die Fläche vor dem Haus gestaltet ist, vor allem, wie gepflegt sie ist, lässt Rückschlüsse auf die Einstellung und das Verhalten der Hausbewohner zu … und genau das macht den Vorgarten so pikant.“
Erhöhung des eigenen Prestiges
„Nichts triggert Menschen mehr als die Anerkennung anderer“, so Linke. Schönheit in Form von „Design“ sei im letzten Jahrzehnt zum Wirtschaftsfaktor geworden. So hätten die ersten Flachbildschirme zwar eine deutlich schlechtere Bildqualität gezeigt als die damals üblichen Röhrengeräte, doch sie galten als schick und wurden zu jedem Preis gekauft. Auf das Haus und den Garten übertragen stelle sich die Frage, ob nicht eine kreative Vorgartengestaltung, die attraktiv, umwelt- und bienenfreundlich ist, Beschattung im Sommer bietet und die Gebäudehülle schützt, ganz nebenbei einen Prestigegewinn mit sich bringe. In einer repräsentativen Marktforschung der GfK vom Frühjahr 2017 hat eine deutliche Mehrheit von fast drei Viertel (71 Prozent) der Befragten begrünte Vorgärten den versteinerten Varianten vorgezogen. Forster: „Interessant fanden wir vor allem, dass auch Kiesgartenbesitzer mit Pflanzen gestaltete Vorgärten als schöner bewerten.“ Die zunehmende Versteinerung von Vorgärten geschieht in diesem Licht offensichtlich gegen besseres Wissen. Linke: „Im Falle des Vorgartens haben wir stellvertretend für alles, was der einzelne beitragen kann, um Lebensraum für Pflanzen und Insekten zu schaffen oder Regenwasserversickerungsflächen zu erhalten, kein Bewusstsein. Dazu kommt, dass wir die Natur nur dann akzeptieren, wenn sie nahezu perfekt ist und viele die Arbeit scheuen, die ein Garten nun mal mit sich bringt.“ Dabei stecke genau in der Beschäftigung mit dem Vorgarten die doppelte Chance, das individuelle Belohnungszentrum im Gehirn zu aktivieren und sich in der Nachbarschaft als weltoffen zu beweisen. Der einladende Garten vor der Tür, ein Schwätzchen mit dem Nachbarn auf der Hausbank im Vorgarten und zumutbare Gartenarbeit bringe Menschen zusammen und gebe einen Sinn. „Es hält uns davon ab depressiv zu werden. Im Vorgarten fängt Freundschaft an!“, ist Linke überzeugt.
Pflanzen sind klimawirksam
In Zeiten des Klimawandels mit immer mehr Extremwetterlagen können Pflanzen am Haus als ökologisch bessere Alternative zu Vollwärmeschutz mit Styroporverkleidung wirksam werden. Der Hausbaum als Schattenspender, Dach- und Fassadenbegrünung, jeder Quadratmeter Grün trägt bei zur Minderung der Hitzebelastung im Wohnumfeld. Bepflanzte Gartenbereiche können im Gegensatz zu versiegelten Flächen Regenwasser aufnehmen und durch Verdunstung regulierend auf das Klima einwirken. Forster: „Die Summe vieler auch kleiner Vorgärten ist eine große Fläche und kann als individueller Beitrag der Bürger das Stadtklima positiv beeinflussen.“ Linke bestätigt und gibt zu bedenken, dass sich jeder Einzelne fragen sollte, was er dazu beitragen kann, dass mehr Grün die Umwelt schöner und gesünder macht: „Jeder kann sprichwörtlich vor der eigenen Haustüre damit beginnen!“
Tägliches Vergnügen
Nicht zu unterschätzen ist auch der Wert des Vorgartens für die Hausbewohner selbst. Linke: „Wir sind nicht immer im Garten oder haben oft keine Zeit für den Garten, aber nahezu jeder geht einmal
am Tag aus dem Haus und zurück. Eine abwechslungsreiche Bepflanzung, blühende Pflanzen sich entwickeln zu sehen, aber auch die Herbstfärbung oder der Raureif am Wintermorgen – ein lebendiger
Garten ist einfach beglückend.“ Die meisten Menschen müssen mindestens zweimal täglich ihren Vorgarten passieren und ihn entweder ignorieren und ertragen. Man kann ihn aber auch genießen, sich
täglich über jede Veränderung und jeden Fortschritt erfreuen, Neues entdecken und fasziniert zusehen, was uns der Reichtum der Natur schenkt. Linke: „Für mich geht es nicht nur um den Vorgarten,
sondern darum, dass Menschen den Wert der Natur vor ihrer Haustüre sehen und sich der Möglichkeit bewusst werden dieses kleine Stück aktiv gestalten zu können.“
Mehr dazu:
www.mein-traumgarten.de
Text: BGL
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